Neutrales Deutsch

Neutrales Deutsch – was ist das?

Seit geraumer Zeit schon wird versucht, die angeblich “zu männlich” klingende deutsche Sprache durch eine Art Kunstsprache zu ersetzen, die allgemein als “gendersensible Sprache” oder kurz “Gendersprache” bekannt ist. Auch das heutzutage viel diversere menschliche Leben und Zusammenleben könne von der deutschen Sprache nicht mehr zufriedenstellend abgebildet werden, so ein weiterer Vorwurf der Gender-Befürworter. Das Ergebnis dieser in mehreren Entwicklungsstufen entstandenen Sprachform sind jedoch nicht nur grammatikalisch falsche und stilistisch unschöne, sondern auch unnötig lange und kaum noch lesbare Texte.

Dabei gäbe es eine viel einfachere Lösung, die geforderte Diversität sprachlich allumfassend abzubilden. Die deutsche Sprache bietet nämlich ausreichend Möglichkeiten zu geschlechtsneutralen und trotzdem korrekten Formulierungen. Um gesellschaftlichen Wandel zu reflektieren, muss man also keine neue Sprache erfinden. Es reicht, die geschlechtsbezogenen Personenbezeichnungen wegzulassen, an denen sich das Genderproblem ja aufreibt. In allgemeinen Aussagen ist es nicht notwendig, ständig darauf hinzuweisen, um welche Person es sich genau handelt. Man kann auch einfach „im Verkauf“ arbeiten oder Beschwerden an „die Direktion“ richten. „In der Landwirtschaft“ sollte es mehr Nachhaltigkeit geben und Informationen werden „für das Bewerbungsverfahren“ zur Verfügung gestellt. Wem Neutralität in der Sprache also ein Anliegen ist, formuliert ohne bestimmte Personen – alle anderen schreiben und sprechen weiter wie bisher.

Vereinzelt findet man neutrale Texte bereits. Sie lassen sich mündlich und schriftlich realisieren, sind 100% inklusiv, sprachlich korrekt, stilistisch elegant und vor allem leicht lesbar (all das also, was Gendersprache nicht ist.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass natürliche Sprachentwicklung über einen langen Zeitraum und vor allem freiwillig stattfindet. Werden sprachliche Neuerungen (oder Sprachverbote) durch Interessensgruppen oder Institutionen von oben herab verordnet, so wie es aktuell geschieht, spricht man von Sprachlenkung oder Sprachplanung, die als Propagandamittel in totalitären Regimen bekannt und üblich sind. Sprache „gehört“ jedoch niemandem und kann weder von einer Minderheit willkürlich gegen den Willen einer Mehrheit verändert und erzwungen, noch von einer Mehrheit um jeden Preis auf ewig konserviert werden. Die Wahl des Ausdrucks in Wort und Schrift ist und bleibt aber in jedem Fall eine ganz persönliche Entscheidung, die sogar verfassungsrechtlich verankert ist.

Ein Buch über “Neutrales Deutsch” ist gerade in Vorbereitung und soll Ende 2020/Anfang 2021 erscheinen. Bis dahin finden Sie untenstehend ein paar Tipps und Anregungen, wie mündlich und schriftlich neutral formuliert werden kann.

Einige Vorbemerkungen:

  • In der Regel kommen nicht alle Personen in ein und demselben Text vor, dh. man muss maximal ein oder zwei Personen oder Personengruppen ersetzen oder umschreiben.
  • Inwieweit sich neutral formulieren lässt, hängt stark vom Zweck des Textes ab: allgemeine Aussagen lassen sich leichter umschreiben als fachbezogene Inhalte, da letztere oft eine definierte Bedeutung haben.
  • Bei Fachsprachen ist die Notwendigkeit des neutralen Formulierens immer weniger gegeben, da sich Englisch hier als sogenannte Lingua franca etabliert hat: viele Fachtexte werden gar nicht mehr auf Deutsch, sondern gleich auf Englisch geschrieben und publiziert. Dieser Trend wird auch weiterhin anhalten.
  • Die oft sehr personenbezogene Rechtssprache bildet eine Ausnahme. In österreichischen Rechtstexten ist beispielsweise die Doppelnennung verpflichtend (Rektor/Rektorin). Inwieweit sich neutrales Deutsch zur Erleichterung in diesem Bereich einbinden lässt, wird die Erfahrung durch Rechtsexperten zeigen.
  • Sprachverwendung hat sehr viel mit Gewohnheit zu tun. Das bis dato noch unbekannte neutrale Deutsch fördert kreatives Schreiben und Sprechen. Genau das ist auch die Idee: es werden weiter unten zwar einige sogenannte “Lösungsformeln” zum neutralen Formulieren vorgestellt, die deutsche Sprache bietet jedoch weitaus mehr und ungeahnte Möglichkeiten, solche Texte zu gestalten.  

1. SAMMELBEZEICHNUNGEN (NOMINA)

Die einfachste Art und Weise, neutral zu formulieren, bieten Sammelbezeichungen (Kollektiva), also Begriffe, die alle Menschen einschließen und im Singular und/oder Plural nicht ausdrücklich eine männliche oder weibliche Person bezeichnen. Hier eine Auswahl:

Einzelpersonen (mit Plural):

Gast/Gäste; Individuum/Individuen; Mensch/Menschen; Mitglied/Mitglieder; Person/Personen;

Personenpaare oder -gruppen:

Eltern; Geschwister; Kranke;

2. INDEFINITPRONOMEN

Indefinitpronomen bezeichnen Personen, Sachen oder Sachverhalte, die hinsichtlich ihres Genus und/oder ihrer Anzahl nicht näher bestimmt werden.

Viele Indefinitpronomen werden sowohl als Artikelwörter als auch als Stellvertreter eines Nomens verwendet. Für neutrales Deutsch kommen in Frage:

alle; all jene; beide; etwas; jemand; niemand; nichts

3. BERUFSBEZEICHNUNGEN

Auch bei Berufen ist es nicht notwendig, ständig das Geschlecht der betreffenden Person mitzunennen. Eine Möglichkeit ist, stattdessen die Branche oder Tätigkeit zu bezeichnen:

Übersetzer/Übersetzerin – in der Übersetzungsbranche, beim Übersetzen

a) Ausgangsbeispiel:

Als Übersetzerin ist es mir wichtig, fehlerlose Texte abzuliefern.

In neutralem Deutsch:

Beim Übersetzen ist es wichtig, fehlerlose Texte abzuliefern.

In der Übersetzungsbranche ist es wichtig, fehlerlose Texte abzuliefern.

b) Ausgangsbeispiel:

Landwirte sind heute mehr denn je daran interessiert, auf nachhaltige Produktion zu achten.

In neutralem Deutsch:

In der Landwirtschaft ist man heute mehr denn je daran interessiert, auf nachhaltige Produktion zu achten.

wird fortgesetzt…